Die Lechauen im Wandel der Zeit

Der Lech als wilder Alpenfluss

Früher: Eine blühende und dynamische Flussaue

Vor seiner Regulierung im 19. Jahrhundert war der Lech im Landkreis ein alpiner Wildfluss, der sich völlig frei in seinem Bett bewegte. Anders als die Flüsse, wie wir sie heute kennen, hatte er keine festen Ufer und kein statisches Flussbett. Der Lech bestand aus einer Vielzahl von verzweigten Gerinnen, Mäandern und Seitenarmen, die sich über eine Breite von über 1.000 Metern erstreckten. Diese breite, wilde Flusslandschaft war in ständigem Wandel: Erosion und Sedimentation prägten das Bild, sodass sich das Flussbett kontinuierlich verschob und neue Formen schuf. Inseln, Kiesbänke und Altwässer entstanden und verschwanden immer wieder.

Die Lechauen im Wandel der Zeit
Der historische Lechverlauf bei Mundraching ....
Die Lechauen im Wandel der Zeit
.... und bei Burg Haltenberg
Die Lechauen im Wandel der Zeit

Besonders die Kiesbänke waren typisch für diesen alpinen Wildfluss. Durch den Transport von Sedimenten und Kies über große Strecken entstanden flache, weite Uferbereiche, die Extremstandorte für spezialisierte Pflanzen und Tiere darstellten. So fand beispielsweise die seltene Deutsche Tamariske hier ideale Bedingungen vor. Diese Pionierpflanze, die an karge, bewegte Kiesflächen angepasst ist, konnte sich nur in dieser dynamischen Umgebung behaupten. Der Lech schuf durch seine ständige Bewegung Lebensräume, die von natürlichen Prozessen wie Hochwasser und Erosion abhängig waren. Die Kiesbänke boten zudem Schutz für viele Vogelarten, die dort ungestört von Fressfeinden brüten konnten.


Die natürliche Flussaue

Die natürliche Flussaue

Ein Mosaik an Lebensräumen

Die ursprüngliche Auenlandschaft entlang des Lechs war eine der artenreichsten und vielfältigsten Lebensräume in Bayern. Das Flussbett und die umliegenden Auen wechselten ständig ihre Gestalt, und dieser permanente Wandel schuf eine hohe ökologische Vielfalt. Regelmäßige Überflutungen sorgten dafür, dass sich in der Aue unterschiedliche Habitate bildeten. So existierten nebeneinander feuchte Sumpfwälder, trockene Sandflächen, flache Tümpel und verlandende Altarme. Besonders prägend waren die Auwälder, die entlang des Lechs in großer Vielfalt vorkamen. In diesen Wäldern wuchsen Grauerlen, Weiden, Eschen, Ulmen, Pappeln und weiteren Arten, je nach verschiedener Höhenlage.

Die Lechauen im Wandel der Zeit
Gelbbauchunke

In den trockeneren Bereichen, auf den höher gelegenen Flussterrassen, fanden sich Pfeifengras-Kiefernwälder. Diese Wälder bildeten ein Kontrastbild zu den feuchten Auwäldern am Flussufer, boten aber ebenfalls spezialisierten Arten einen Lebensraum. Auf den Kiesflächen und den Schotterplatten der Iller-Lech-Region wuchsen zudem Hainsimsen-Buchenwälder, die durch ihren artenreichen Unterwuchs und ihre strukturelle Vielfalt bestachen.

Die Auen am Lech boten durch diese vielfältigen Lebensräume unzähligen Tier- und Pflanzenarten einen idealen Lebensraum. Viele dieser Arten waren eng an die besonderen Bedingungen angepasst. So profitierten etwa Amphibien, wie z.B. die Gelbbauchunke von den flachen Gewässern, die sich nach Hochwassern in Senken und Mulden bildeten, während zahlreiche Insektenarten, darunter seltene Libellen und Käfer, von den sumpfigen und offenen Wasserflächen abhängig waren.

Diese dynamische Auenlandschaft war von natürlichen Prozessen abhängig, die durch die Natur des Flusses bestimmt wurden. Durch den ständigen Wechsel von trockenen und nassen Phasen, das regelmäßige Hochwasser und die Bewegungen des Flussbettes entstand ein Mosaik an Lebensräumen, in denen sich spezialisierte Arten, aber auch Pionierpflanzen und -tiere, entfalten konnten. Jeder fand seine Nische.

 


Die wilde Flussaue

- eine Herausforderungen für den Menschen

Die wilde Flussaue

Trotz seiner Bedeutung für die Natur war der wilde Lech für die Menschen, die entlang seiner Ufer lebten, eine Herausforderung. Die ausgedehnten Flusslandschaften machten eine Nutzung des Landes für die Landwirtschaft oder den Siedlungsbau fast unmöglich. Das Gebiet, das der Lech in Anspruch nahm, war zu wechselhaft, um es als Acker- oder Weideland zu verwenden. Hinzu kam, dass der Fluss mit seinen vielen Seitenarmen und Mäandern schwer zu überqueren war, was den Bau von Brücken oder Straßen entlang des Flusses erschwerte.

Besonders im Hochwasserfall stellte der Lech für die umliegenden Gemeinden eine Bedrohung dar. Überschwemmungen machten es den Menschen schwer, dauerhaft in der Nähe des Flusses zu siedeln, da sich der Wasserstand oft unvorhersehbar ändern konnte. Auch die Gefahr von Erosion und der ständigen Verlagerung des Flussbetts bedeutete, dass landwirtschaftliche Flächen oder Bauwerke bedroht waren.


Eingriffe des Menschen in die Lechauen

Der Beginn der Flussregulierung

Eingriffe des Menschen in die Lechauen

Im 19. Jahrhundert begann eine tiefgreifende Veränderung der Lechauen. Ab etwa 1806, mit dem Beginn der bayerischen Säkularisation, wurde zunehmend Wert auf die Regulierung und Nutzbarmachung natürlicher Ressourcen gelegt. Der wachsende Bedarf an Flächen für Land- und Forstwirtschaft, Siedlungen und Industrie sowie der Wunsch, die Hochwassergefahr zu mindern, führten zu massiven menschlichen Eingriffen in das Flusssystem des Lechs. Die bis dahin dynamische und ungebändigte Auenlandschaft wurde zunehmend reguliert, um den Lech zu zähmen und seinen Verlauf für den Menschen besser kontrollierbar zu machen.

 

 

Das Hauptziel der Eingriffe war es, den Fluss in ein festes Bett zu zwingen, um die angrenzenden Flächen vor Überschwemmungen zu schützen und für die wirtschaftliche Nutzung zu erschließen. Die Begradigung und der Bau von Staustufen und Wehren veränderten das natürliche Fließverhalten des Lechs grundlegend. Diese Maßnahmen führten dazu, dass sich die Aue als dynamisches Ökosystem dramatisch veränderte und viele der natürlichen Prozesse zum Stillstand kamen.

Die Lechauen im Wandel der Zeit

Die Begradigung und Verbauung des Lechs

Im Zuge der Flussregulierung wurde der Lech kanalisiert und begradigt, was eine drastische Verringerung der natürlichen Flussverzweigungen und Mäander zur Folge hatte. Wo der Lech einst ein breites Netzwerk aus Seitenarmen, Kiesbänken und Inseln bildete, verengte sich der Fluss zunehmend auf ein künstlich geschaffenes Flussbett. Die weitläufigen Überschwemmungsgebiete, die zuvor eine Schlüsselrolle für die Auenlandschaft spielten, verschwanden größtenteils. Der Fluss wurde „eingesperrt“ und auf einen schmalen, festgelegten Lauf reduziert, der kaum noch Platz für natürliche Dynamik bot.

Die Lechauen im Wandel der Zeit

Der Bau der ersten Staustufen

Mit dem Bau von Staustufen und Wehren begann der Mensch, den Wasserstand des Lechs künstlich zu regulieren. Diese Bauwerke wurden errichtet, um den Fluss für die Energiegewinnung nutzbar zu machen. Zugleich sollte die Gefahr von Hochwasserereignissen reduziert werden, indem die Wassermassen gezielt gesteuert und in geordnete Bahnen gelenkt wurden. Diese Staustufen unterbrachen jedoch den natürlichen Fluss des Geschiebes – jenes Gesteinsmaterials, das der Lech von den Alpen ins Flachland transportierte und das die Auenlandschaft prägte. Dadurch bildeten sich nicht mehr die großflächigen Kiesbänke, die zuvor charakteristisch für den Lech waren.

Auch der Einfluss auf die Flussgeschwindigkeit und -tiefe war enorm: Wo der Lech einst in seichten Bereichen langsam floss und sich in tieferen Abschnitten beschleunigte, entstanden nun gleichmäßige Fließstrecken und Stauseen.

Die Lechauen im Wandel der Zeit

Verlust der Auenlebensräume

Mit der zunehmenden Regulierung des Lechs und der Verkleinerung seiner Aue ging auch ein dramatischer Verlust von Lebensräumen einher. Die großflächigen Überschwemmungen, die einst Feuchtgebiete, temporäre Tümpel und Altarme schufen, blieben aus. Damit verschwanden die vielfältigen Lebensräume für Arten, die sich auf die wechselnden Bedingungen der Auenlandschaft spezialisiert hatten. Besonders stark betroffen waren Pflanzen und Tiere, die auf Pionierstandorte wie Kiesbänke oder regelmäßig überflutete Flächen angewiesen waren.

Auch die Deutsche Tamariske, die auf die dynamischen Kiesflächen des Lechs angewiesen war, ging stark zurück. Durch die Verbauung des Flusses fehlten die regelmäßigen Hochwasser, die neue Kiesflächen freilegen und alte wieder überschütten, was der Tamariske und vielen anderen Spezialisten den Lebensraum nahm. Auch die Brutflächen für viele Wasservögel waren betroffen.

Da der Fluss seine Ufer nicht mehr überflutete, wurden viele Auenwälder zu trockenen Waldgesellschaften. Die Artenvielfalt der ursprünglichen Auwälder, die auf feuchte, sumpfige Bedingungen angewiesen waren, ging zurück. Laubwälder, die ursprünglich von Grauerlen, Weiden und Eschen dominiert wurden, wichen zunehmend standortfremden Pflanzen, die sich auf den entwässerten Böden ausbreiten konnten.

Mit der Begradigung und Regulierung des Lechs begann auch eine intensive Nutzung der angrenzenden Flächen. Wo früher die weiten Auenlandschaften landwirtschaftlich kaum nutzbar waren, wurden nun Felder und Weiden angelegt. Gleichzeitig nahm auch die Bebauung entlang der Ufer zu, die durch die Regulierung vor Hochwassern geschützt waren.


Die Zukunft des Lechs und seiner Auen

Heute ist eine vollständige Rückkehr zum ursprünglichen Zustand des Lechs nicht mehr möglich. Dennoch gibt es Wege, wie der Lech und andere verbaute Flüsse in Bayern wieder naturnaher gestaltet werden könnten. Durch kreative und gezielte Maßnahmen könnte ein Ausgleich zwischen menschlichen Bedürfnissen und ökologischen Anforderungen gefunden werden.

Der Schutz der verbliebenen Auenlandschaften

Der Schutz der verbliebenen Auenlandschaften

Trotz der starken Verbauung des Lechs gibt es noch einige wertvolle Auenbereiche, die erhalten und geschützt werden müssen! Dazu gehören beispielsweise der Lechauwald bei Unterbergen, die Lechschleife bei Kinsau und der Auwald und die Leite zwischen Scheuring und Zollhaus. Diese Flächen beherbergen nach wie vor eine große Artenvielfalt und erfüllen wichtige Funktionen für das Ökosystem. Um diese Reste der ursprünglichen Auenlandschaft langfristig zu sichern, ist der Erwerb und die Aufwertung dieser Gebiete eine zentrale Maßnahme. Wo immer es möglich ist, sollten Flächen angekauft und der natürlichen Dynamik des Flusses überlassen werden, sodass sich das Ökosystem selbst regenerieren kann.

Ein weiterer Ansatz ist die Umwandlung von Fichten-Monokulturen, in naturnahe Auwälder. Entlang des Lechs gibt es bereits Projekte, bei denen staatliche Flächen in wertvolle Laubmischwälder umgewandelt werden. Diese Wälder bieten nicht nur Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, sondern tragen auch zum Hochwasserschutz und zur Klimaregulation bei.

Reaktivierung der Auen: Ist das möglich?

Die Eingriffe der letzten Jahrhunderte, die Eintiefung des Flusses und die heute sehr steilen Uferhänge, machen eine direkte Wiederanbindung von Altauen an den Lech fast unmöglich. Dennoch gibt es kreative Ansätze, um der Natur mehr Raum zu geben. Durch die gezielte Renaturierung von Flussabschnitten könnten natürliche Dynamiken teilweise wiederhergestellt werden. Wo immer möglich, müssen Altarme angebunden und Flussabschnitte weniger stark reguliert werden, auch wenn es kleine Abschnitte sind. Diese “Pufferzonen” könnten dazu beitragen, Hochwasser besser abzufedern und gleichzeitig Lebensräume für Auenarten zu schaffen.

Neben der Reaktivierung von Altauen gibt es auch die Möglichkeit, Ersatzlebensräume zu schaffen. So könnten renaturierte Filz- und Moorflächen als Ersatz für verloren gegangene Auen dienen. Moore speichern Wasser und bieten Lebensraum für viele spezialisierte Arten, die auch in Auen heimisch sind. Durch die gezielte Wiedervernässung von Mooren könnten also nicht nur seltene Arten gerettet, sondern auch das Klima geschützt werden, da Moore als bedeutende Kohlenstoffspeicher fungieren. Auch die landwirtschaftliche Extensivierung entlang der Bäche im Landkreis kann als Ersatz für Ökosystemfunktionen der Aue und als Lebensraum für deren Arten dienen.

Wasserkraft und Naturschutz: Ein Widerspruch?

Eine der größten Herausforderungen bei der Renaturierung des Lechs ist die Nutzung der Wasserkraft. Entlang des Lechs gibt es zahlreiche Wasserkraftwerke, deren Betrieb das Flusssystem stark beeinflusst. Diese Kraftwerke stauen den Fluss, verändern seinen natürlichen Lauf und behindern die Wanderung von Fischen und anderen Wasserlebewesen. Gleichzeitig spielen sie eine wichtige Rolle bei der Stromerzeugung und gelten als relativ umweltfreundliche Energiequelle. Doch was passiert, wenn die Lizenzen dieser Wasserkraftwerke in den nächsten Jahrzehnten auslaufen?

Eine Option wäre es, die bestehenden Wasserkraftwerke so umzubauen, dass sie ökologisch verträglicher werden. Schon heute werden Fischtreppen und Umgehungsgerinne installiert, um die Wanderung von Fischen zu ermöglichen. Auch die Reduzierung der Staueffekte durch eine dynamischere Betriebsweise der Kraftwerke könnte dazu beitragen, die natürlichen Flussdynamiken wiederherzustellen.

Darüber hinaus könnte man über den Rückbau oder die teilweise Umwandlung von alten Wasserkraftwerken nachdenken. Moderne Anlagen, die nur einen Teil des Lechs zur Energiegewinnung nutzen, würden eine natürliche Geschiebedynamik unterstützen.

Modernisierung und Alternativen zur Wasserkraft

Eine weitere Möglichkeit wäre die Modernisierung der Wasserkraftanlagen. Viele Kraftwerke stammen aus einer Zeit, in der der Umweltschutz noch eine untergeordnete Rolle spielte. Heute gibt es bereits Technologien, die es erlauben, Wasserkraftanlagen effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten. So könnte zum Beispiel der Einsatz von sogenannten “fischfreundlichen” Turbinen den negativen Einfluss von Wasserkraftwerken verringern. Diese speziellen Turbinen ermöglichen es Fischen, die Anlagen ohne Verletzungen zu passieren, was die Artenvielfalt entlang der Flüsse fördern könnte.

Ein interessanter Ansatz könnte auch die teilweise Umstellung auf kleinere, dezentrale Wasserkraftwerke sein, die weniger stark in die Flussökologie eingreifen. Solche Kleinkraftwerke könnten in Verbindung mit anderen erneuerbaren Energiequellen genutzt werden, um die Region nachhaltig mit Strom zu versorgen, während gleichzeitig der Natur mehr Raum gegeben wird.

Zusammenarbeit für eine naturnahe Zukunft

All diese Maßnahmen erfordern jedoch eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedensten Interessensgruppen. Naturschützer, Verbände, lokale Behörden, Energieversorger und die Bevölkerung müssen gemeinsam nach Lösungen suchen, um eine Balance zwischen ökologischen und wirtschaftlichen Anforderungen zu finden. Besonders wichtig ist es, bei anstehenden Entscheidungen – etwa beim Auslaufen von Wasserkraftlizenzen – ökologische Faktoren stärker zu berücksichtigen und Renaturierungsmöglichkeiten frühzeitig in Planungen einzubeziehen.

Auch das Bewusstsein der Menschen für den Wert naturnaher Flüsse und Auen muss gestärkt werden. Ein naturbelassener Fluss wie der Lech bietet nicht nur Lebensraum für zahlreiche Arten, sondern auch viele Dienstleistungen für den Menschen: Er schützt vor Hochwasser, filtert Schadstoffe und bietet Raum für Erholung. Wenn wir diese Ökosysteme schützen und aufwerten, schützen wir also auch unsere eigene Lebensgrundlage.

Durch das Laden dieser Ressource wird eine Verbindung zu externen Servern hergestellt, die evtl. Cookies und andere Tracking-Technologien verwenden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

YouTube-Videos laden

Durch das Laden dieser Ressource wird eine Verbindung zu externen Servern hergestellt, die evtl. Cookies und andere Tracking-Technologien verwenden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Google Maps laden